Interview von Marc Hansen im Luxemburger Wort

"Wir sind ein ministerielles Start-up"

Interview: Annette Welsch und Michèle Gantenbein 

Luxemburger Wort: Marc Hansen, sind Sie froh, dass Sie den Wohnungsbau nicht mehr und dafür ein etwas einfacheres Ministerium haben? 

Marc Hansen: Es gibt kein einfaches Ministerium. Ich habe den Wohnungsbau interessant gefunden. Dieses ist eine neue Herausforderung mit neuen Themen, die auch spannend sind. Zumal es gilt, ein neues Ministerium aufzubauen - das für Digitalisierung. 

Luxemburger Wort: Im öffentlichen Dienst wurde ja von der Vorgängerregierung schon vieles in die Wege geleitet - das Abkommen ausgehandelt, der Stage gekürzt. Was sind Ihre Prioritäten? 

Marc Hansen: Schon die ersten Monate waren extrem intensiv. Ich war noch keinen Monat im Amt, da musste der Gesetzestext für die Abschaffung der 80-80-90-Regel und das Praktikum ausgearbeitet und auf den Weg geschickt werden. Ich musste im Monat danach die Situation bei der Sparkasse klären, wo nach langen Jahren der Diskussionen endlich ein Abkommen geschlossen werden konnte, und ich habe vor einem Monat eine Übereinkunft mit der Polizei zu den Überstunden mit ausgehandelt. An spannenden Herausforderungen hat es nicht gefehlt, dabei kann man sich in den ersten Monaten normalerweise ja erst einmal einarbeiten. Die Herausforderung der nächsten Jahre ist es nun, den Arbeitgeber Staat für seine Bediensteten attraktiv zu machen und auch nach außen darzustellen, um neue Talente gewinnen zu können. Heute hat ein junger Mensch, der auf den Arbeitsmarkt kommt, genaue Vorstellungen von seinem Arbeitgeber und was er bieten soll. Das sind nicht nur Anfangsgehälter und Punktwerte, sondern auch Laufbahnen und wie man Berufs- und Familienleben unter einen Hut bekommt. Da müssen wir als Staat fit sein, um immer wieder die Leute zu finden, die wir brauchen. 

Luxemburger Wort: Wie machen Sie das? 

Marc Hansen: Wir arbeiten in hundert Facetten: Wir haben Dienststellenmeingesetzt, um das Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu fördern, haben interne Kommunikationskampagnen über die Berufe gestartet, die Berufe werden dokumentiert, wir arbeiten an unserer Außendarstellung und außerdem müssen wir die Programme des Institut national d'administration publique (INAP) für die Aus- und ständige Weiterbildung permanent anpassen. 

Luxemburger Wort: Welches Profil wird denn im Moment am meisten gesucht? Informatiker? 

Marc Hansen: Das kann ich zahlenmäßig aus dem Stegreif nicht sagen. Der Bedarf geht querbeet von Leuten, die bei der Polizei, in der Bildung oder im Umweltschutz arbeiten. Wenn ich nur die Digitalisierung betrachte, steht hauptsächlich das Centre des technologies de l'information de l'État, das CTIE, vor der großen Herausforderung, Informatiker zu finden. Die sind selten, und es ist ein Wettbewerb, gute Leute zu finden - alles natürlich im Rahmen der Laufbahnen und Gehaltsklassen, die wir als Staat anbieten können. 

Luxemburger Wort: Sie haben laut Regierungsprogramm auch vor, den Übergang vom Privat- in den öffentlichen Sektor einfacher zu machen. Welche Maßnahmen sind da geplant? 

Marc Hansen: Es ist nun erstmals im Stage-Gesetz festgehalten, dass die „Ancienneté" anerkannt werden soll, wenn man aus dem Privatsektor kommt. Auch die Telearbeit soll ausgeweitet werden. Viele kommen heute nicht mehr unbedingt aus Gehaltsgründen - oder der Sicherheit des Arbeitgebers wegen zum Staat - es gibt zig Facetten, die sie anziehen. 

Luxemburger Wort: Wie ist Ihr Verhältnis zur Staatsbeamtengewerkschaft CGFP? 

Marc Hansen: Gut. Wie schon gesagt, haben wir in den ersten sechs Monaten bereits viel miteinander ausgehandelt. Da scheint mein Umgang mit ihnen ja gut zu klappen.

Luxemburger Wort: Es werden wohl noch andere Sektoren als die Polizei folgen, wo auch in Schichten oder unregelmäßig gearbeitet wird. Ich denke beispielsweise an den Zoll. Was ist da geplant?

Marc Hansen: Die Probleme mit den Regelungen der Bereitschaftsdienste oder der Prämien bestehen ja schon seit 30 Jahren. Sie sind nur jetzt mehr zum Vorschein gekommen, weil sie im Gesetz stehen und nicht mehr in einer Verordnung. Sie betreffen zudem auch andere Minister, denn nicht alles ist öffentlicher Dienst. Nehmen Sie das CGDIS, auch da kann nun vieles auf dem Polizeiabkommen aufbauen.  Denn mit diesem ersten Abkommen haben wir gezeigt, dass wir eine Lösung hinbekommen. 

Luxemburger Wort: Zur Abschaffung der 80-80-90-Regel ist kürzlich das Gutachten des Staatsrats veröffentlicht worden, das eine Reihe formeller Einsprüche beinhaltet. Die Praktikanten warten schon ungeduldig. Bis wann, meinen Sie, ist das Gesetz durch? 

Marc Hansen: So schnell wie möglich. Es sind drei Einsprüche, und ich hoffe, dass ich ihnen im September gerecht werden kann. Aber für alle, die betroffen sind, ist klar, dass wir mit zig Übergangsbestimmungen dafür sorgen, dass die neue Regelung rückwirkend zum 1. Januar gilt. 

Luxemburger Wort: Die CGFP hat noch weitere Forderungen wie die Abschaffung des Bewertungssystems. Gehen Sie darauf ein? 

Marc Hansen: Diese Diskussion wird sich bestimmt stellen, wenn wir über das neue Gehälterabkommen sprechen. Bevor ich diese Verhandlungen wahrscheinlich Mitte nächsten Jahres aufnehme, mache ich aber keine Einschätzung oder Bewertung von einzelnen Punkten. Es geht ja darum, den Arbeitgeber attraktiv zu machen und da wird es zig Sachen geben, die man diskutieren kann. 

Luxemburger Wort: Im letzten Regierungsabkommen wurde eine Punktwerterhöhung ausgeschlossen und dennoch kam sie. Dieses Regierungsprogramm ist vage gehalten: Sind Sie völlig offen oder gibt es rote Linien? 

Marc Hansen: Ich gehe ganz offen in diese Diskussionen. Derzeit sehe ich die 65 Unterorganisationen der CGFP - das stand so im Gehälterabkommen, und das hilft mir auch zu verstehen, was an der Basis passiert und für Beschwerden sorgt. 

Luxemburger Wort: Wie sieht der Rekrutierungsplan für die nächsten Jahre aus? 

Marc Hansen: Die Zahl der Neueinstellungen wird im Rahmen des Staatshaushalts diskutiert und dort festgehalten. Wir brauchen noch Leute, und in den nächsten Jahren wird allein in der Polizei und der Armee noch viel eingestellt werden. 

Luxemburger Wort: Stichwort Staatsexamen, das im vergangenen Jahr reformiert wurde. Wie sind Ihre Erfahrungswerte? 

Marc Hansen: Es geht wesentlich einfacher und praktischer zu, es werden andere Tests gemacht. Es ist nach den ersten zwei Sessionen aber noch etwas früh für eine Bilanz und es wird ja auch ein Monitoring der Examen gemacht. Wir wollen sie wissenschaftlich begleiten und sehen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. 

Luxemburger Wort: Kommen wir zum delegierten Minister für Digitalisierung. Was sind Ihre Aufgabengebiete und Prioritäten? 

Marc Hansen: Als ministerielles Start-up musste ich zunächst einmal Aufbauarbeit leisten, denn wir hatten im Dezember zwei Mitarbeiter: Xavier Bettel und mich. Wir bekamen dann direkt das CTIE mit seinen 250 Mitarbeitern unterstellt und fangen im Ministerium mit mittlerweile einem Dutzend Mitarbeitern nach der Rentrée an, operationell zu werden. Wir haben aber schon eine Parlamentsdebatte initiiert und parallel auch schon angefangen, das e-Gouvernement voranzutreiben, indem wir den Entwicklern vorgegeben haben, in welchen Bereichen sie Gas geben müssen. 

Luxemburger Wort: Sind Sie nur für den Staat zuständig oder auch für die Digitalisierungsprozesse in den anderen Ministerien? 

Marc Hansen: Jedes Ministerium hat diesen Prozess in seinem Programm stehen. Wir mischen uns da nicht ein, sind aber Herr über das CTIE, das ganz oft auch bei deren Digitalisierungsprozessen hilft und Probleme löst. Was uns anbelangt: Wir sind definitiv kein Ministerium von Tech-Freaks für Tech-Freaks, sondern schreiben uns die digitale Inklusion auf die Fahne. Jeder hat Probleme, bei dieser Entwicklung mitzukommen - nicht nur die Älteren. Wir müssen dafür sorgen, dass wir jeden im Boot behalten, der sich auch nur ein bisschen unwohl mit digitalen Prozessen fühlt. So gehen wir beispielsweise beim INAP auf den Weg einer digitalen Akademie. Wir bieten dort Programme an, wie den europäischen Internetführerschein, den wir mit einem Tool koppeln: Findet man Schwächen heraus, wird direkt eine Fortbildung vorgeschlagen, die man online machen kann. Wir haben auch beim Projekt „Digital Luxembourg" schon eine Reihe Projekte mit dem Privatsektor ausgearbeitet und sind für die Förderung des ICT-Sektors zusammen mit dem Wirtschaftsministerium zuständig. 

Luxemburger Wort: Luxemburg wurde ja aber schon von der Europäischen Kommission kritisiert, unter anderem, weil es bei der Digitalisierung nicht schnell genug vorankommt. 

Marc Hansen: Wir liegen im 'Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft' DESI der Europäischen Kommission an sechster Stelle in der EU. Wir sind gut in der Konnektivität, den Kompetenzen und den Infrastrukturen, wie den Datazentren, aber nicht beim Staat, nicht im e-Gouvernement. Ich arbeite mit dem CTIE daran, hier voranzukommen. Zum Beispiel kann man jetzt schon eine Meldebescheinigung als PDF mit einem QR-Code versehen und dann kann jeder über die Gouv-Check-App testen, ob sie tatsächlich von einer Behörde ausgestellt wurde. Wenn wir das getestet haben, kann man sich das System bei ganz vielen Dokumenten vorstellen. Im Moment gibt es testweise den Angelschein schon digital. 

Luxemburger Wort: Laut Regierungsprogramm soll auch ein Hohes Komitee der digitalen Transformation eingesetzt werden. Was versteckt sich dahinter? 

Marc Hansen: Dort sind alle Akteure auch aus anderen Ministerien vertreten und es werden Probleme diskutiert. Ich kann beispielsweise keine Arbeitsrechtsdiskussionen führen, aber das Komitee kann Patronat und Gewerkschaften einberufen, um Lösungen zu finden. Wer genau im Komitee vertreten ist, steht noch nicht fest. Ich wollte erst das Ministerium aufbauen, die Debatte im Parlament führen, was uns dort von anderen Parteien mit auf den Weg gegeben wird analysieren und dann umsetzen, was wir uns politisch vorgenommen haben. 

Luxemburger Wort: In der Parlamentsdebatte haben Sie gesagt, dass eine erfolgreiche Transformation nur mit vereinfachten Prozeduren, mit Transparenz und Datenschtitz gelingt - Datenschutz ist ja ein wichtiges Thema im Moment. Wie sind Sie da impliziert? 

Marc Hansen: Datenschutz ist in diesem Sektor natürlich sehr wichtig und es gibt ja auch Regeln dafür. Wenn wir aber über e-Gouvernement sprechen: Viele Leute wären froh über das Prinzip 'once only' - wenn sie nicht immer für jeden Vorgang dieselben Fragen gestellt bekommen, dieselben Dokumente verlangt werden. Das geht aus Datenschutzgründen nicht anders - diese Regeln machen nicht wir, wir müssen sie aber einhalten. 

Luxemburger Wort: Als das Omnibusgesetz zur administrativen Vereinfachung verabschiedet wurde, wurde gesagt, dass es nicht weit genug geht. Kommt ein Omnibusgesetz 2? 

Marc Hansen: Im Digitalisierungsministerium gibt es eine Verwaltungszelle zur Konsultation in Urbanismusfragen - beim Omnibusgesetz geht es ja viel um diesen Bereich. Diese Zelle gibt es auch, um staatliche Instanzen zu begleiten und Problematiken aufzudecken. Beide prüfen derzeit gemeinsam, wie beispielsweise die Kommodo-Prozedur oder öffentliche Befragungen einfacher und auch digital gestaltet werden können. Da geschieht noch viel und man muss sehen, was man gesetzlich regelt und was man einfach in der Praxis umsetzt. 

Luxemburger Wort: In welchen Bereichen besteht noch Bedarf zur Vereinfachung?

Marc Hansen: Das ist die philosophische Gretchenfrage: Wo und wie viel muss vereinfacht werden, wo sagt immer nur der eine, es muss vereinfacht werden, wo brauchen wir dennoch Prozeduren, um andere zu schützen? Das ist eine spannende Frage, auf die ich keine Antwort habe. Jede Prozedur wurde ja einmal aus einem Grund eingeführt, denn es gibt ja nicht nur die, die viel und gerne bauen, es gilt ja auf der anderen Seite auch, die Lebensqualitär und die Natur zu schützen. 

Luxemburger Wort: Prozeduren sind das eine, aber die Umsetzung der Prozeduren das andere. Da stecken ja Menschen dahinter, die Prozeduren erschweren oder verlangsamen können. 

Marc Hansen: Ich denke, es liegt eher an den Prozeduren als an denen, die sie anwenden. Es gibt ja genaue Vorschriften und Fristen, an die man sich halten muss oder es wird juristisch anfechtbar. 

Luxemburger Wort: Ich denke an die Umweltstudien, wenn man bauen will: Kann man nicht eine nationale Bestandsaufnahme machen und dann ein für allemal ein Register erstellen, um nicht bei jedem Projekt von vorne anzufangen? 

Marc Hansen: Das machen wir gerade: Die Gemeinden erlassen alle neue Bebauungspläne, und wir haben die sektoriellen Leitpläne im Regierungsrat verabschiedet. Wenn das alles steht, wird vieles einfacher gehen. Das hat nichts mit den Leuten zu tun, sondern mit den Prozeduren. Und wenn wir hinterher feststellen, dass sich Prozeduren überlappen, können wir ja immer noch nachbessern. 

 

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