"Eine Reform von enormer Tragweite". François Biltgen et Octavie Modert au sujet de la réforme statutaire et salariale dans la Fonction publique

Joëlle Merges: Herr Biltgen, als Frau Modert und Sie am 15. Juli gemeinsam mit den Vertretern der CGFP die Reform im öffentlichen Dienst unterzeichneten, sprachen Sie von einem Paradigmenwechsel. Was sollen wir darunter verstehen?

François Biltgen: Es ist ja so, dass das Beamtenstatut eine Arbeitsplatzgarantie beinhaltet, die nicht ein Privileg für Beamten darstellt, sondern die Unabhängigkeit und Neutralität des öffentlichen Diensts gewährleisten soll. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, bloß dass in der Beamtenlaufbahn nicht länger ausschließlich die Grundausbildung und das Dienstalter berücksichtigt werden. Diese beiden Aspekte werden ergänzt durch die berufliche Fortbildung, durch verbesserte Aufstiegsmöglichkeiten während der Berufslaufbahn sowie durch die Berücksichtigung der Einsatzbereitschaft und der Verantwortung am Arbeitsplatz. Daraus leiten sich das neue objektive Bewertungssystem ab, welches den Kriterien von Transparenz, Nachvollziehbarkeit und interner respektive externer Einidagbarkeit entspricht, sowie die Umstrukturierung einiger Dienstlaufbahnen und das Verfahren wegen beruflicher Unfähigkeit. Auch die "gestion par objectifs", also das zielorientierte Arbeiten kommt einem Paradigmenwechsel gleich: Alle drei Jahre legt jede einzelne Verwaltung für sich fest, welche Ziele sie in diesem Zeitraum erreichen will - ein Novum für den öffentlichen Dienst.

Joëlle Merges: Zurück zur Bewertung: Diese soll einmal während der Anwärterzeit durchgeführt werden und dann wieder, wenn der Beamte ins "niveau supérieur" aufsteigt, also in die gehobene Gehaltsstufe seiner jeweiligen Laufbahn. Zwischen der ersten und der zweiten Bewertung liegen zwölf Jahre - zu lange, um eventuelle Verfehlungen wieder zu begradigen?

Octavie Modert: Dazwischen finden Jahr für Jahr Mitarbeitergespräche statt.

Joëlle Merges: Von denen der einzelne Beamte nichts zu befürchten hat.

Octavie Modert: Wobei ich betonen möchte, dass es definitiv nicht Ziel der Reform ist, die Beamten zu bestrafen, sondern zu motivieren.

François Biltgen: Außerdem wird der Anwärterdienst neu geregelt. In Zukunft muss der angehende Beamte im Staatsexamen, also dem Aufnahmeexamen in den öffentlichen Dienst, nicht nur beweisen, dass er etwas weiß, sondern in seiner dreijährigen Probezeit auch belegen, dass er etwas kann. Eine Übernahme in den Staatsdienst wird nur dann erfolgen, wenn die Anwärter sich an ihrem Arbeitsplatz bewähren.

Joëlle Merges: Ihre Vorschläge in Sachen Reform der Beamtendienstordnung gingen zunächst viel weiter als im Abkommen mit der CGFP letztendlich festgehalten. Ist von Ihren ursprünglichen Ideen überhaupt noch etwas übrig geblieben?

Octavie Modert: Natürlich. Alle großen Prinzipien unserer Reformvorhaben haben Eingang in die Abmachung gefunden, geändert wurden während der Verhandlungen die Details.

François Biltgen: So zum Beispiel das Leistungsbewertungssystem, das von Anfang an transparent, nachvollziehbar und intern einklagbar ausgerichtet war. Zunächst war geplant, eine solche Leistungsbewertung alle drei Jahre durchzuführen. Wir sind uns dann einig geworden, diese Bewertung nur in den Schlüsselphasen einer jeweiligen Laufbahnentwicklung vorzunehmen, d.h. beim Zugang und der Beförderung zu den obersten Dienstgraden aller Laufbahnen.

Octavie Modert: Und nennen Sie uns ein Beispiel aus anderen Berufszweigen, in denen die Lohnskala nach unten erweitert wurde.

Joëlle Merges: Die Gespräche mit der CGFP sind erst wieder in Gang gekommen, als der Staatsminister im April in seiner Rede zur Lage der Nation dargelegt hat, was genau die Regierung bezweckt. Wurden Ihre Bemühungen damit desavouiert?

François Biltgen: Sie können davon ausgehen, dass der Premier in seiner Rede nichts anderes gesagt hat als das, was er mit seinen beiden Ministern abgesprochen hatte.

Joëlle Merges: Während der Verhandlungen soll die CGFP mehrmals vom Staatsminister empfangen worden sein. War die Reform des öffentlichen Diensts insgeheim Chefsache?

Octavie Modert: Es ist doch angebracht, den Regierungschef über die größte Reform, die seit 50 Jahren im öffentlichen Dienst durchgeführt wird, auf dem Laufenden zu halten. Und was das Gehälterabkommen angeht, so war es stets so, dass der Premier- beziehungsweise der Finanzminister in die Verhandlungen miteinbezogen wurden. Diesmal war das nicht anders; es haben zu keinem Zeitpunkt Geheimverhandlungen zwischen dem Staatsminister und der CGFP stattgefunden.

Joëlle Merges: Auf der Pressekonferenz vor 14 Tagen wussten Sie keine genauen Zahlen über den Finanzrahmen der Reform des Beamtendienstrechts und des Gehälterabkommens zu nennen. Sind Sie inzwischen schlauer?

Octavie Modert: Wie Sie wissen, ist das Ministerium des öffentlichen Dienstes nicht zuständig in Sachen Neueinstellungen beim Staat. Und davon hängt vieles ab. Sicher ist, dass diese Reform viel Einsparungspotenzial in sich birgt. Die Kosten der Reform lassen sich kaum vorhersagen, alles hängt von der Personalplanung der einzelnen Behörden ab, für die das Ministerium des öffentlichen Diensts nicht weisungsbefugt ist.

François Biltgen: Mittelfristig spart der Staat durch die Absenkung der Anwärterentschädigungen. Auch die Abschaffung der "majoration d'indice", d.h. der jährlichen teilweisen Vorauszahlung der gesetzlich vorgesehenen Biennalen, bringt Jahr für Jahr Einsparungen in Höhe von angehend neun Millionen Euro. Allerdings stellen beide Maßnahmen die eigentliche Gehälterstruktur der Staatsbeamten nicht in Frage. Ziel der Reform der Beamtendienstordnung war es ohnehin nicht, Kosten zu sparen, sondern die Qualität des öffentlichen Diensts zu verbessern.

Joëlle Merges: Und die bitteren Pillen, die die CGFP bei dieser großen Reform schlucken musste, bekam sie durch Vergütungen im Gehälterabkommen versüßt.

François Biltgen: Wir haben uns am Tarifabschluss für den Finanzsektor inspiriert, der in etwa die gleichen Entwicklungen enthält wie das Gehälterabkommen für den öffentlichen Dienst. Deswegen weisen wir auch die Darstellung der DP zurück, wir hätten "die Staatsbediensteten mit dem Manna ihrer Herren beglückt". Dass die einstige selbsterklärte Partei des öffentlichen Diensts nun anscheinend Beamten-Bashing fördert, wie jüngst in einem Leitartikel des "Lëtzebuerger Journal", ist doch schon erstaunlich.

Joëlle Merges: Dennoch hat der Premier vor einem Jahr in seiner Erklärung zur Lage der Nation einer Erhöhung des Punktwerts in dieser Legislaturperiode eine klare Absage erteilt. Wieso hat die Regierung es sich auf einmal anders überlegt?

François Biltgen: Zwischen 2009 und 2013, also binnen vier Jahren, zahlen wir den Staatsbeamten insgesamt eine Erhöhung des Punktwerts von 2,2 Prozent aus, d.h. 0,55 Prozent pro Jahr. In den Jahren 2010 und 2011 gab es eine Nullrunde und dies zum ersten Mal seit der Stahlkrise in den 80er-Jahren! Das ist wahrlich keine übertriebene Gehälterpolitik.

Octavie Modert: Uns war nie daran gelegen, öffentlichen Dienst und Privatsektor gegeneinander auszuspielen, und ich denke, mit der Reform ist es uns gelungen, Brücken zwischen beiden Sektoren zu bauen, und zwar nicht nur bei der Lohngestaltung, sondern zum Beispiel auch bei der Leistungsbewertung oder bei der Einführung einer zielorientierten Verwaltungsführung, und das in Übereinstimmung mit dem Sozialpartner, der CGFP, die sich ihrer Gesamtverantwortung für das Land bewusst ist. Wir haben Gräben im Lande nicht nur verhindert, sondern geschmälert.

François Biltgen: Wir sollten der Staatsbeamtengewerkschaft Tribut zollen, dass sie sich zu Kompromissen bereit gezeigt hat, die für beide Seiten annehmbar sind.

Joëlle Merges: Wieso wurde die Entscheidung über die Abschaffung der Krisensteuer im Rahmen einer Pressekonferenz über den öffentlichen Dienst angekündigt? Eigentlich hätte der Finanzminister doch bei seiner Pressekonferenz über die Entwicklung der öffentlichen Finanzen darauf hinweisen können. Oder der Premier hätte es am 13. Juli beim Bipartite-Treffen mit allen national repräsentativen Gewerkschaften sagen können.

François Biltgen: Weil die Abschaffung der Krisensteuer im Zusammenhang mit dem Gehälterabkommen zu sehen ist und auch die Höhe der ausgehandelten einmaligen Prämie in Höhe von 0,9 Prozent, die den Beamten für das Jahr 2012 ausbezahlt wird, beeinflusst hat. Die CGFP war somit einverstanden, die Ansprüche des alleinigen öffentlichen Beamtenstatuts im Interesse aller Steuerzahler anzupassen!

Joëlle Merges: Wie kommt es eigentlich, dass fast niemand Ihnen den Kompromiss mit der CGFP zugetraut hätte? Werden Sie chronisch unterschätzt?

Octavie Modert: Man war sich wohl eher der enormen Tragweite unserer Reformvorhaben bewusst.

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